Politischer Wendepunkt
Die deutsche Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel schränkte im Oktober 2018 die Waffenexporte nach Saudi-Arabien ein. Dies war eine Reaktion auf die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul und die Beteiligung Saudi-Arabiens am Bürgerkrieg im Jemen.
Die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz hat ihre Haltung zu deutschen Rüstungsexporten geändert. Foto: DW
Doch nun, gut fünf Jahre später, bewertet die deutsche Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz ihr Verhältnis zu Saudi-Arabien neu. Die regierende Mitte-Links-Koalition aus Sozialdemokraten (SPD), Grünen und der neoliberalen FDP hat die deutsche Position in der Frage überdacht.
Die Bundesregierung hat den Angaben zufolge Ende Dezember den Export von 150 IRIS-T-Luftabwehrraketen nach Saudi-Arabien genehmigt. Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigte dies am Mittwoch, 10. Januar.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am 7. Januar, Saudi-Arabien leiste nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit Israels. „Und dies trägt dazu bei, das Risiko einer Ausweitung des Konflikts in der gesamten Region zu verhindern“, sagte sie.
Auch den Verkauf europäischer Kampfjets an Saudi-Arabien will Frau Baerbock nicht länger blockieren. Unter der saudischen Königsflagge fliegen bereits 72 Eurofighter. Großbritannien will weitere 48 liefern. Dafür bedarf es allerdings der Zustimmung der Bundesregierung, denn der Eurofighter, auch Typhoon genannt, ist ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer europäischer Länder, darunter Deutschland und Großbritannien.
„Die saudi-arabische Luftwaffe hat den Eurofighter auch eingesetzt, um auf Israel gerichtete Houthi-Raketen abzuschießen. Angesichts all dieser Entwicklungen ist es notwendig, die Position der deutschen Regierung zum Eurofighter zu klären“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Uneinigkeit im Bündnisvertrag
Auch die größte Oppositionsfraktion im Bundestag , die konservative Fraktion aus CDU und CSU, begrüßte den neuen Kurs der Bundesregierung. Allerdings gab es auch Widerstand aus den Grünen-Abgeordneten, die von der Ankündigung von Außenministerin Baerbock überrascht waren.
„Das Thema Rüstungsexporte war schon immer ein Kernthema der Grünen“, sagte Sara Nanni, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.
Der Eurofighter, ein bekannter Kampfjet aus deutscher und europäischer Produktion, weckt das Interesse Saudi-Arabiens. Foto: JetPhotos
Die Grünen haben ihre Wurzeln in der deutschen Friedensbewegung. Und ihre Außenpolitik ist eher von moralischen als von geopolitischen Erwägungen geprägt. Im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen aus dem Jahr 2021 heißt es, sie würden keine Waffenlieferungen an Länder genehmigen, die direkt am Krieg im Jemen beteiligt sind.
Die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni beharrte auf der Entscheidung. Zwar habe sich die Rolle Saudi-Arabiens im Jemen-Konflikt leicht verändert, „aber das ist für mich kein Grund, der Verlegung der Eurofighter zuzustimmen“, sagte Nanni der DW.
Nach neun Jahren Krieg hat sich das Engagement Saudi-Arabiens geändert und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat offen über seinen Wunsch gesprochen, aus dem kostspieligen Krieg auszusteigen, was die Hoffnung auf baldige Friedensgespräche im Jemen weckt.
Saudi-Arabien gilt als riesiger Markt für militärische Ausrüstung und gab allein im Jahr 2022 schätzungsweise 75 Milliarden Dollar für Waffen aus.
Das deutsche Zögern hat historische Wurzeln.
Deutschland belegt auf der Liste der größten Waffenexporteure des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) den fünften Platz. Es gilt jedoch als zurückhaltend, Ausrüstung in Länder außerhalb der NATO zu exportieren. Als Grund für diese Zurückhaltung werden oft die Gräueltaten der Nazis im Zweiten Weltkrieg genannt.
„Es geht nicht nur um unsere historische Verantwortung, sondern auch um das Verständnis Deutschlands für die Schäden, die Krieg und Gewalt durch Aggressoren anrichten. Dies ist hier vielleicht noch deutlicher als in anderen Ländern“, sagte die Abgeordnete Sara Nanni.
Bei gemeinsamen Rüstungsprojekten wie dem Eurofighter stieß diese Zurückhaltung bei deutschen Partnern wie Großbritannien oft auf Missfallen. Die britische Regierung weigerte sich, deutschen Unternehmen und sogar ihren internationalen Partnern Lizenzen für den Waffenverkauf an Saudi-Arabien zu erteilen.
Vertreter der Rüstungsindustrie warnten, künftige gemeinsame Projekte, etwa der Bau von Panzern oder Flugzeugen, seien gefährdet, weil potenzielle Partner deutsche Exportbeschränkungen fürchten.
Die Kehrtwende der Bundesregierung weckt nun Hoffnungen auf neue Rüstungsgeschäfte in Milliardenhöhe. „Das Ende des deutschen Embargos ist gerechtfertigt und notwendig“, sagte Matthias Wachter vom BDI, dem Verband der europäischen Kernindustrien.
„Es hilft Israel und verhindert, dass Deutschland in der Rüstungspolitik in Europa isoliert wird. Nur durch mehr Vertrauen kann Europa in der Sicherheitspolitik stärker kooperieren, nicht durch ein Veto“, fügte Wachter hinzu.
Nguyen Khanh
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